Aschaffenburg – Kaufhaus-Erpresser Dagobert und die Geldtransporter-Räuber vom Berliner Alexanderplatz dürften neidisch auf Geldzählerin Mira O. (54) blicken: Sie raffte am 10. März 2018 im Tresorraum der IWS Werkschutz in Aschaffenburg knapp drei Millionen Euro zusammen und spazierte damit ungehindert nach Hause. Von der Beute fehlt bis heute jede Spur – doch die diebische Werkschützerin muss sich seit Montag vorm Landgericht Aschaffenburg verantworten.
„Es wurmte mich, dass ich immer so ausgenutzt werde“, sagte die gelernte Konditorin und berichtete detailreich von Mobbing im Betrieb, ihrem Pflichtbewusstsein und herausragenden Leistungen.
Die Geld-Pakete habe sie dann in ihren knallgelben Adidas-Rucksack gepackt und sei am Wachpersonal vorbei nach draußen gegangen: „Da ist nie eine Kontrolle gewesen“, sagte Mira O. vor Gericht.

Schon im Auto sei ihr klar geworden, dass sie „einen Riesenbockmist“ gebaut hatte: „Ich irrte herum, bin gefahren, gelaufen … Morgens ging ich zur Polizei und sagte dem Beamten, dass ich meinem Arbeitgeber Geld entwendet habe.“
Doch der Diensthabende im 18. Frankfurter Polizeirevier schickte sie wieder heim. „Der Kollege vernahm sie nicht, hat nur einen internen Vermerk geschrieben“, sagte Kriminalhauptkommissar Michael S. (32). „Er riet ihr, sich einen Rechtsbeistand zu suchen.“
Danach überschlugen sich die Ereignisse: Am Montag stellten die IWS-Kollegen enorme Fehlbestände bei den „Poolgeldern“ fest, die bei der Bundesbank eingezahlt werden sollten. Videoaufzeichnungen zeigten, wie Mira O. während ihrer Frühschicht bis zu 30 Geldpakete mit 200-er und 500-er Scheinen einpackte. Zur gleichen Zeit will die Beschuldigte durchs Frankfurter Gerichtsviertel geirrt und vergeblich einen Anwalt gesucht haben.

Während die Fahndung anlief, schnüffelten Barmittel-Spürhunde in der Frankfurter Wohnung von Mira O. Ermittler S.: „Wir fanden nichts. Am Dienstag trafen wir Frau O. an und nahmen sie fest. Sie sagte, sie sei in einem psychischem Ausnahmezustand und könne nicht sagen, wo das Geld sei.“ Eine Vernehmung unter Hypnose lehnte sie ab.
Daraufhin wurden sämtliche Mietwagen-Firmen in Deutschland auf verdächtige Anmietungen überprüft, Mantrailer-Hunde liefen die Wege rund um die IWS-Zentrale am Main ab, die Staatsanwaltschaft fahndete öffentlich nach dem Verbleib des gelben Rucksackes. Alles vergeblich!

Dafür fiel den Ermittlern auf, dass gegen Mira O. und ihren Ehemann schon 2014 ein Geldwäsche-Verdacht bestand. Der als Autohändler im Kosovo tätige Gatte hatte eine halbe Million Euro in bar von einem Hausverkauf seiner Frau abgehoben, wollte aber nicht sagen, wofür er das Geld brauchte. Zwei seiner Fahrzeuge (Mercedes E 250 und VW Touareg) waren in der Schweiz und im Kosovo und damit für die Ermittler unerreichbar.
Der Prozess offenbart auch gravierende Sicherheitsmängel bei dem Werkschutz-Unternehmen. Obwohl fürs Öffnen der Tresortür vier Augen vorgeschrieben waren, stand das Gitter nicht nur zum Tatzeitpunkt offen. Die Überwachungskameras wurden nicht live geprüft. Und Mira O. durfte ihre Taschen mit an den Arbeitsplatz nehmen: „Weil man mir keinen Spind zuwies“, klagte sie.
Weil eine Ärztin ihr tatsächlich eine „retrograde Amnesie“ bescheinigte, hofft Mira O. auf mildernde Umstände beim Urteil. Ihr drohen bis zu zehn Jahre Haft. Urteil am Freitag.