Mark Forster über Haltung: “Ich möchte, dass klar ist, wo ich stehe”



Zur Person

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    Mark Forster, 1984 in Kaiserslautern geboren, ist einer der erfolgreichsten deutschen Popstars. Als Sohn einer polnischen Mutter wuchs er, bürgerlich Mark Cwiertnia, im pfälzischen Winnweiler auf. Nach mehreren Einsätzen bei “The Voice Kids” ist Forster aktuell Juror in der TV-Show “The Voice of Germany”. Von seiner Musik verkaufte er seit seinem Debüt “Karton” (2012) mehr als vier Millionen Einheiten, zu seinen größten Hits gehören “Au revoir” (mit Sido, 2014) sowie die inoffizielle WM-Hymne “Wir sind groß” (2016). “Liebe” ist das vierte Album des Sängers und Songwriters. Seit 2005 lebt er in Berlin.

SPIEGEL ONLINE: Herr Forster, seit dem Eklat um Kollegah und Farid Bang oder dem Aufmarsch von Rechtsextremen in Chemnitz werden Popmusiker wie Sie aufgefordert, sich politisch klar zu positionieren. Bisher schweigen Sie. Warum?

Mark Forster: Ich sehe das Problem, und natürlich spitzt sich das zu, weil sich die ganze Welt gerade zuspitzt. Aber ich frage mich, was das eigentlich heißt, “die Stimme erheben”. Soll ich einen langen Post auf Facebook schreiben, mit dem ich meine Haltung erkläre? Oder mit einem “Refugees Welcome”-Pullover auftreten? Wär’s das schon?

SPIEGEL ONLINE: Vielleicht wäre das ein wichtiges Signal.

Forster: Man kann nicht mehr gänzlich unpolitisch als Künstler sein. Ich finde es aber auch schwierig, jeden zur Politik zu zwingen. Nun bin ich nicht jeder, das sehe ich auch ein. Aber ich frage mich ganz oft: Was ist es denn eigentlich, was ich nicht mache?

SPIEGEL ONLINE: Wie meinen Sie das?

Forster: Ich bin ja halber Pole, meine Mutter kommt aus Warschau, ich habe bei “Sing meinen Song” ein polnisches Weihnachtslied gesungen und von der zweiten Kultur erzählt, mit der ich aufgewachsen bin. Ich bin für dieses neue Album nach Uganda gereist. So ist meine Haltung zur Welt, einfach offen.

SPIEGEL ONLINE: Sie lassen lieber Taten als Worte sprechen?

Forster: Ich produziere meine Platten auf der ganzen Welt. Und ich stehe damit, glaube ich, für etwas Positives. Das ist keine Rolle, die ich spiele. In meiner neuen Single “Chip In” mit den ugandischen Stars Maru und Maurice Kirya singe ich “Die ganze Welt passt in vier Wände”. Das nimmt aber leider keiner wahr.

SPIEGEL ONLINE: Sie fühlen sich ungerecht behandelt?

Forster: Nein, gar nicht. Politik kann man ja auch in ganz viele kleine Themen verpacken. Ich habe keinen Song, der sich um ein politisches Thema dreht, so wie bei Udo Lindenberg, das habe ich noch nicht gemacht. Ich habe Angst, dass, wenn ich so ein Lied jetzt schreiben würde, es auch wieder nicht richtig wirken würde. Was ist der Vorwurf, frage ich aufrichtig: Was kann ich tun? Ich würd’s gerne tun.

SPIEGEL ONLINE: Herbert Grönemeyer sagte gerade erst, dass die jüngere Generation bis jetzt historisch noch keine Veranlassung hatte, sich gesellschaftlich zu engagieren. Spüren Sie da eine wachsende Verantwortung?

Forster: Man muss schon sehr genau reflektieren, wer man ist, wo man steht – und wer man auch in den Köpfen Anderer gerade ist, um das alles mitzudenken, was von einem so erwartet wird. Campino zum Beispiel kommt von einer Punkband, der kann gar nichts anderes machen als beim Echo so ein Statement zu verlesen. Ich komme woanders her. Wahrscheinlich werde ich nie in einer Punkband spielen, aber eine andere Art von Rolle zu finden, auf der guten Seite stehend, das will ich nicht ausschließen.

SPIEGEL ONLINE: Sie könnten sich also vorstellen, Ihr Themenspektrum als Songwriter zu erweitern?

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Mark Forster:
Der Grübler-Dude

Forster: Ich arbeite gerade sehr an meiner Sprache. Die ist anders als die von Grönemeyer oder Lindenberg. Ich bin noch nicht am Ende meiner Entwicklung, und ich brauche noch ein bisschen Zeit. Ich bin da auch nicht gleichzusetzen mit Helene Fischer, aber ich bin natürlich auch nicht so politisch wie, zum Beispiel, Feine Sahne Fischfilet. Theoretisch kann ich da irgendwo in der Mitte stattfinden, so wie Herbert Grönemeyer ja auch. Ich würde mich auch gerne mit jemandem wie ihm treffen und über solche Dinge sprechen.

SPIEGEL ONLINE: Auf Ihrem neuen Album “Liebe” geht es inhaltlich zunächst viel um Autobiographisches. Sie blicken zurück in Ihre Kindheit, es gibt einen Song über Ihren Vater, der früh die Familie verließ.

Forster: Wahrscheinlich bin ich da wie ein Adrenalinjunkie: Ich muss immer krasser werden, immer weiter ans Eingemachte gehen, um etwas spüren zu können und das Gefühl zu haben, andere Leute können das auch fühlen. Der Song über meinen Vater, “Genau wie Du”, was ich da singe, habe ich vorher noch nie so gesagt. Dafür brauche ich ein Lied, die Ebene der Melodie. Ich habe mir das ja nicht vorgenommen, ein Lied über meinen Vater zu schreiben, so quasi als Fortsetzung von “Natalie”.

SPIEGEL ONLINE: Einen Song von Ihrem Album “Tape”, der an Ihre Schwester gerichtet ist.

Forster: Es ist einfach so passiert. Und es ist natürlich auch der Song, der mir am meisten Probleme bereitet hat. Ich musste mit allen darüber sprechen, ob ich das so veröffentlichen darf. Ich habe ihn erst meiner Schwester und meiner Mutter geschickt, und dann meinem Vater. Und mich dann ganz ernsthaft mit allen darüber unterhalten. Das hat in meiner Familie letztlich etwas sehr Gutes bewirkt.

SPIEGEL ONLINE: Außerhalb Ihrer Musik erfährt man wenig bis nichts über den Privatmann Mark Forster.

Forster: Ich mag das nicht. Ich bin ja so ein Grübler-Dude und mache das alles eher für mich. Und ich habe auch keinen Bock, mich ständig mit irgendwelchen Leuten über meine Gefühle zu unterhalten. Aber ich muss über sie schreiben. Das ist eine komische Diskrepanz.

SPIEGEL ONLINE: Der zumindest verbal politischste Moment auf “Liebe” stammt von Gast-Rapper Sido. In “Danke, Danke” heißt es, recht unvermittelt, “Danke, Merkel” – ein Slogan der Rechten und Populisten. Keine Angst vor Missverständnissen?

Forster: Naja, erst mal ist es natürlich Sidos Text, und es ist ein “Danke” von mindestens 20 anderen, die darin vorkommen, er dankt da auch seinen Lehrern und seinen Hatern. Die Vermutung liegt sehr nahe, dass das ironisch gemeint ist. Die Frage, steht das auf der guten oder der schlechten Seite, stellt sich nur, wenn man diese eine Zeile aus dem Text ausschneidet. Wenn du noch zwei Zeilen mehr liest oder hörst, dann ist alles klar. Dass Wahrheit keine Rolle mehr spielt in so vielen Facetten unserer Gesellschaft, das ist das Schlimmste! Ich möchte an den Punkt kommen, dass klar ist, wo ich stehe. Und ich suche nach einem Weg, wie ich das klären kann.



Mark Forster: “Liebe” (Four Music/Sony) ist am 16. November erschienen.

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