Christine Richter über Rot-Rot-Grün.

Christine Richter über Rot-Rot-Grün.

Foto: pa/Reto Klar/Montage BM

Berlin. Als Rot-Rot-Grün vor zwei Jahren in Berlin die Regierungsgeschäfte übernahm, machte ich mir ein bisschen Sorgen. Ein SPD-Freund beruhigte mich: „Keine Sorge, das wird nicht so schlimm, die Probleme von Bürgerämtern bis Schulsanierung und BER sind so groß, die müssen erstmal gelöst werden.“ Ein Jahr später, als wir uns trafen, waren meine Bedenken um die Entwicklung der Stadt noch ein bisschen größer geworden, der Freund sagte: „Jetzt mache ich mir auch Sorgen, aber Berlin hat schon vieles überstanden, die Stadt kann man nicht kaputt machen.“ Nun, als wir uns kürzlich trafen, fragte ich: „Wollen wir darüber reden?“ – Seine Antwort: „Lieber nicht.“

Ich mache mir Sorgen, weil Rot-Rot-Grün nach wie vor so einseitig Klientelpolitik betreibt. Und gar nichts dabei findet. Siehe die Wohnungsbaupolitik, wo für die Mieter und Bestandsschutz viel getan wird, aber für die Bauherren und Investoren wenig. Ein Unternehmer aus Hamburg, der in Berlin baut, berichtete mir in dieser Woche von seinen Schwierigkeiten, den von ihn geplanten Neubau mit 40 Wohneinheiten zu günstigen Preisen zu errichten. Die Bodenpreise in Berlin sind massiv gestiegen, weil es zu wenige Flächen in der Stadt gibt, bundesweit sind die Baufirmen so ausgelastet, dass überhaupt nur wenige auf die Ausschreibung reagiert haben und dann hohe Preisvorstellungen hatten. Was bedeutet, dass der Bau sehr viel kostspieliger wird, die Mietpreise für die Neubauwohnungen dann auch. „Das werden 13 oder 14 Euro pro Quadratmeter“, rechnete er mir vor. „Für die Krankenschwester oder den Busfahrer mit Familie ist das nicht mehr bezahlbar“, meinte ich. „Stimmt leider“, sagte der Bauherr.

Ein anderes Beispiel: Wer auf U-Bahnen, Trams oder S-Bahnen umsteigt, hat es in Berlin nicht leicht. „Wenn ich mit der S-Bahn in die Stadt fahre, muss ich immer ein bis zwei S-Bahnen früher nehmen, damit ich eine Chance habe, pünktlich zu sein“, klagte ein Unternehmer in dieser Woche beim Frühstücksgespräch mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) im Capital Club am Gendarmenmarkt. „Die S-Bahnen fallen mal ganz aus oder sind unpünktlich.“ Das Gleiche passiert immer häufiger auch bei der U-Bahn – weil Wagen oder Personal fehlt. „Ich habe schon wieder zwei Linien auf der U9 durchfahren lassen müssen, weil sie so voll waren“, schrieb mir eine Freundin per Whatsapp morgens um 6.30 Uhr. Nicht zum ersten Mal. Die Stadt wächst, aber die Berliner Verkehrsbetriebe wachsen nicht schnell genug, weil der Senat es gemeinsam mit der BVG versäumt hat, rechtzeitig neue U-Bahnwagen oder auch Trams zu bestellen. Müller konnte dem Unternehmer immerhin mitteilen, dass in neue S-Bahnwagen nun viel Geld investiert wird. Aber bis die in Berlin auf den Schienen rollen, das dauert noch.

Und wie man eine Stadt auf links umbaut, das zeigt auch die Diskussion um einen neuen Feiertag in Berlin. Die norddeutschen Bundesländer Hamburg, Bremen und Niedersachsen haben sich – ganz in der christlichen Tradition – entschieden, nach dem Luther-Jahr auch künftig den 31. Oktober, den Reformationstag, als Feiertag zu behalten. Weil Berlin sehr viel weniger Feiertage hat als die anderen Bundesländer, wurde auch hier diskutiert. Der Regierende Bürgermeister war für den 18. März, den Tag der Märzrevolution 1848 in Berlin, die Linken für den 8. Mai, den Tag des Kriegsendes 1945, Teile der SPD für den 8. März, den internationalen Frauentag, der in der DDR begangen wurde, aber kein Feiertag war, andere wieder für den 9. November, den Tag der Pogrome 1938 und des Mauerfalls 1989. Die Berliner wurden nicht gefragt, obwohl die drei Parteien sonst immer so viel von Partizipation halten. Nein, es wurde anders entschieden: Die SPD sprach sich auf ihrem Parteitag für den 8. März aus, Linke und Grüne folgten.

So feiert Berlin ab kommendem Jahr den Frauentag als Feiertag. In sozialistischer Tradition. Das könnte man, wenn man wohlwollend ist, zumindest als Alleinstellungsmerkmal bezeichnen.

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